Chirurgie bei Adipositas und Diabetes mellitus

Adipositas (Fettleibigkeit) ist eine chronische Krankheit

Noch immer ist in der Bevölkerung, aber auch unter den Ärzten selbst, das Vorurteil gross, dass die Adipositas selbst verschuldet ist und die Betroffenen doch einfach weniger essen sollten. Viele wissenschaftliche Daten belegen heute aber, dass beim krankhaften Übergewicht meist eine starke erbliche Veranlagung vorliegt. In der heutigen Zeit, in der ein Überfluss an Nahrungsmitteln und ein Mangel an körperlicher Betätigung bestehen, kann dann die Krankheit Adipositas ausbrechen. Viele medizinische Fachgesellschaften und auch Landesregierungen haben die Adipositas als chronische Krankheit akzeptiert.

Wie die meisten Patienten, die unter Fettleibigkeit leiden, haben auch Sie wahrscheinlich schon häufig versucht, Ihr Übergewicht zu verringern, sei dies durch Ernährungsumstellung, Medikamente, Bewegungstherapie, Psychotherapie, Hypnose und vielleicht durch Gruppentherapien. Vorübergehend kann das sehr erfolgreich sein aber insbesondere nach zu rascher Gewichtsabnahme kommt es anschliessend oft zu einer noch grösseren Gewichtszunahme (Jo-Jo-Effekt).
 

Warum chirurgische Eingriffe bei krankhaftem Übergewicht?

In den meisten westlichen Industrienationen sind mehr als 30% der Menschen übergewichtig. Bei einem Übergewicht von 45 kg über dem Normalgewicht oder bei doppeltem Normalgewicht spricht man von einem krankhaften Übergewicht. Heute wird der Begriff Body-Mass-Index (BMI; Definition: Körpergewicht geteilt durch Körperlänge in Meter im Quadrat; Einheit kg/m2) verwendet. Bei einem BMI über 35 kg/m2 ist die Lebenserwartung der betroffenen Menschen beträchtlich kürzer (Frauen ca. 8 Jahre, Männer 13 Jahre). Krankhaftes Übergewicht kann zu anderen Krankheiten führen, wie Diabetes (Zuckerkrankheit), Fettstoffwechselstörungen (Blutfetterhöhungen), Bluthochdruck, Herz-Gefäss-Krankheiten, Gelenksschäden, Gallensteinen, Krebsleiden, psychischen und sozialen Problemen. Diese Folgekrankheiten können durch eine nachhaltige Gewichtsreduktion erfolgreich behandelt bzw. die Entstehung verhindert werden.

Konservative, also nicht chirurgische Methoden zur Gewichtsreduktion sind in den allermeisten Fällen langfristig nicht erfolgreich. Die neueren Medikamenten sind solange wirksam, wie sie eingenommen werden. Chirurgische Verfahren hingegen sind dauerhaft wirksam. Sie führen bei der Mehrzahl der Patienten abgesehen von der Gewichtsabnahme auch zu einer Verbesserung bis Heilung der Folgekrankheiten und letztlich auch zu einer gesteigerten Lebensqualität und Lebenserwartung. Um diese günstige Wirkung nach einer Operation zu erzielen, sind die Operationen als Teil eines Gesamtprogrammes zur Behandlung des Übergewichtes zu betrachten, d.h. es ist eine individuelle Abklärung, Vorbereitung, sowie eine lebenslange Nachsorge nötig. Die Wahl des idealen Operationszeitpunktes wird ebenso individuell festgelegt.
 

Wie wirken diese chirurgischen Eingriffe

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie chirurgische Übergewicht-Operationen wirken können:

  1. Bei den sogenannten «restriktiven» Methoden wird das Fassungsvermögen des Magens verkleinert. So tritt beim Essen frühzeitig ein Völle-, resp. Sättigungsgefühl auf. Die Essmenge nimmt ab. Zu den rein restriktiven Eingriffen zählt das Magenband. Schlauchmagen und Magenbypass wirken auch restriktiv, haben aber auch weitergehende Einflüsse (vgl. 3.).
  2. «Malabsorptive oder besser hypoabsorptive» Eingriffe bewirken durch eine Umgehung gewisser Magen-Darmabschnitte eine Verminderung der Nahrungsverwertung, d.h. es entsteht eine künstliche Mangelernährung. Wird nur der Magen umgangen (Magenbypass), werden gewisse Vitamine und Spurenelemente in geringerer Menge aufgenommen; werden Teile des Dünndarmes kurz geschlossen (bilio-pankreatische Diversion), werden Fette, Kohlehydrate und Eiweisse schlechter verdaut, d.h. weniger Kalorien aufgenommen.
  3. Zusätzlich wirken diese Operationen (ausser das Magenband) auch durch Veränderung gewisser «Sättigungs- und Hungerhormone», welche normalerweise im Magen und Darm in Abhängigkeit von der zugeführten Nahrung gebildet werden. Bei Bypass-Operationen oder Entfernung von Teilen des Magens (Schlauchmagen) werden durch diese hormonellen Veränderungen direkt der Appetit und somit die Art und Menge der Nahrungsaufnahme beeinflusst. Diese Hormone des Verdauungstraktes haben auch eine direkte, günstige Wirkung auf den Zuckerstoffwechsel, was v. a. für Diabetiker sehr vorteilhaft ist.

 

Welche Operation bei welchem Patienten?

Obschon seit über 50 Jahren Operationen wegen Übergewicht durchgeführt werden, ist nach wie vor nicht klar definiert, welcher Patient welche Operation benötigt. Im Claraspital wurde bis 2004 praktisch ausschliesslich zuerst die Magenband-Operation durchgeführt. Dieser wohl schonungsvollste Eingriff hat aber leider nicht bei allen Patienten den gewünschten Erfolg gebracht, sodass heute ausschliesslich die unten beschriebenen Operationen als Ersteingriff gewählt werden. Es gibt auch weitere, neuere Verfahren, die bei uns aber nicht primär eingesetzt werden, sondern gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in Erwägung gezogen werden, da in der Regel die Langzeitresultate noch nicht genügend bekannt sind. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Entscheidung: Ausmass des Übergewichtes, Essverhalten, Alter, Geschlecht, Ausmass der Folgekrankheiten, v. a. Zuckerkrankheit, eventuell auch der gemessene Grundumsatz, Fettverbrennung, Reflux etc.. Letztlich wird auch der Wunsch des Patienten berücksichtigt. All diese Faktoren werden durch wissenschaftliche Auswertungen der bei Clarunis operierten Patienten untersucht.
 

Wann kommt eine chirurgische Behandlung für Sie in Frage?

Entsprechend den seit 1.1.2011 gültigen Bestimmungen (www.smob.ch) müssen Sie die folgenden Kriterien erfüllen, damit die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden:

  1. BMI über 35 kg/m2
  2. Sie sind bereit, Ihre Essgewohnheiten umfänglich zu verändern und dauerhaft an ambulanten Kontrollen teilzunehmen und nach Ihren Möglichkeiten Ihre Bewegung zu steigern
  3. Eine zweijährige anerkannte Therapie zur Gewichtsreduktion war erfolglos (bei BMI >50 kg/m2 1 Jahr)
  4. Seit dem 1.1.2021 gilt zudem:

  5. BMI 30-35 kg/m2 und schlecht einstellbarer Zuckerkrankheit

Die Operation darf nur an einem Spital durchgeführt werden, das über ein interdisziplinäres Team mit der notwendigen Erfahrung verfügt und die Behandlung nach den aktuell gültigen Richtlinien durchführt (www.smob.ch). Die Behandlung unterliegt strengen Qualitätskriterien. Je nach Erfahrung der jeweiligen Spitäler wird zwischen Primär- und Referenzzentren unterschieden. Das Claraspital und das Universitätsspital Basel sind ein Referenzzentrum und das Claraspital erfüllt die Kriterien eines europäischen «centre of excellence». Komplexe elektive Revisionseingriffe werden ausschliesslich am Claraspital durchgeführt.

Ihr/e Hausarzt/ärztin meldet Sie bei Clarunis an oder Sie melden sich direkt (Absprung). Sie erhalten einen Fragebogen zugestellt, den wir Sie bitten, komplett ausgefüllt an einen der Strandorte zuzustellen (Ernährungszentrum des Claraspitals oder Klinik für Endokrinologie des Universitätsspitals Basel, Adressen siehe am Ende dieser Dokumentation). Sobald dieser im Zentrum angekommen ist, erhalten Sie ein Aufgebot für einen ersten Sprechstundentermin.

Der Stoffwechsel- und Ernährungsspezialist, die Ernährungsberaterin, der Psychiater oder Psychologin mit Erfahrung in Essstörungen und letztlich der Chirurg, werden in die Entscheidung miteinbezogen, ob eine Operation für Sie in Frage kommt. Diese ersten Abklärungen erfordern mindestens einen halben Tag. Die Resultate und der Entscheid über das weitere Vorgehen werden mit Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt besprochen. Anschliessend wird gemeinsam mit der Chirurgin entschieden, welche der im Folgenden vorgestellten Operationen für Sie in Frage kommt.
 

Welche Ernährungsumstellungen sind nach einer Operation notwendig?

Nach Übergewichtsoperationen ist der Magen, der noch zur Nahrungsaufnahme zur Verfügung steht, deutlich verkleinert. Daher können nur noch sehr kleine Mengen an Nahrung auf einmal gegessen werden. Um Ihrem Körper trotzdem eine kontinuierliche Zufuhr an Energie und Nährstoffen zu gewährleisten, ist es unumgänglich, die Nahrung während der ersten Monate auf 6 kleine, ausgewogen zusammengesetzte Mahlzeiten zu verteilen.

Wir empfehlen Ihnen daher, Ihren Tag regelmässig mit einem kleinen Frühstück – bestehend aus je einem Stärke- und Proteinlieferanten – zu beginnen. Das Mittag– und Nachtessen sollten nach dem sogenannten «Teller–Prinzip» zusammengesetzt sein, d.h., jeweils einen Stärke-, Protein- und Gemüselieferanten enthalten. Die Portionsgrösse einer Hauptmahlzeit beträgt in der Anfangsphase etwa 6 Esslöffel. Für die drei Zwischenmahlzeiten eignen sich Milchprodukte hervorragend, um zur Deckung Ihres Proteinbedarfes beizutragen. Je nach individuellem Proteinbedarf kann für eine gewisse Zeit nach der Operation eine Nahrungsergänzung mit einem industriellen Proteinprodukt sinnvoll sein.

Wegen des kleinen Magenvolumens ist es nach der Operation notwendig, Essen und Trinken zu trennen – es hat in Ihrem Magen schlichtweg nicht mehr Platz für beides. Je nach Operation ist es zusätzlich nötig, den Konsum von Zucker weitgehend zu unterlassen sowie die Fettzufuhr auf ein Minimum zu reduzieren.

Auf Grund der sehr kleinen Portionen ist es bei allen Operations-Varianten nicht mehr möglich den Vitamin- und Mineralstoffbedarf durch natürliche Nahrungsmittel zu decken, diese müssen über Multivitamintabletten zugeführt werden.